Cover des Buchs "It's ok to be angry about capitalism" von Bernie Sanders

Warum verändert nicht endlich einmal jemand tatsächlich die Welt?

Dies und das

Ich lese gerade ein Buch des US-Politikers Bernie Sanders. Ich habe es schon vor einer ganzen Weile in der Buchhandlung entdeckt und mir gedacht: „Warum nicht, der Typ interessiert mich.“ Ich hatte den Präsidentschaftswahlkampf 2020 verfolgt, war enttäuscht vom Ergebnis und habe mich seitdem immer wieder gefragt, was passiert wäre, hätte Sanders seine Kandidatur nicht zurückgezogen.

Zunächst möchte ich anmerken, dass ich von dem Buch sehr lange sehr enttäuscht war. Das ganze erste Drittel hat eigentlich sehr wenig bis garnichts mit Kapitalismus zu tun, ist beinahe ausschließlich Selbstbeweihräucherung und eine übertrieben detaillierte Beschreibung des Wahlkampfes, abgesehen von einem kurzen Einwurf über das absurde System der Wahlkampffinanzierung in den USA.

Dabei wären wir aber schon bei einem der beiden großen Punkte, die ich aus diesem ersten Teil des Buches mitnehme (dem zweiten großen Punkt widme ich mich nächste Woche). Sanders bemängelt dieses System, in dem Milliardäre und große Konzerne beinahe im Alleingang Wahlkämpfe finanzieren und dafür zweifellos so einiges an Gegenleistungen bekommen. Er betont mehrfach, wie stolz er darauf ist, seinen eigenen Wahlkampf gänzlich ohne Großspenden geführt zu haben. Er habe damit gezeigt, dass es auch in den USA möglich ist, eine politische Bewegung groß zu machen ohne sich bereits während des Wahlkampfs an den Meistbietenden zu verkaufen. Es ist möglich, mit Idealismus allein Wahlkampf zu machen, auch ohne das Geld von Konzernen und Lobbies.

Warum, so frage ich mich, hat Bernie Sanders dieses, seinen eigenen Worten nach, enorme Momentum nicht genutzt, um eine eigene Partei zu gründen? Ein häufig genannter Grund, warum Parteien jenseits der Demokraten und Republikaner bei größeren Wahlen so gut wie keine Bedeutung haben, ist der, dass es ohne die entsprechende Finanzierung in den USA einfach nicht möglich ist, im Wahlkampf ausreichend präsent zu sein. Sanders hätte die Mittel gehabt, es zumindest zu versuchen.

Bernie Sanders war den Mächtigen in der Demokratischen Partei zu progressiv, das ist kein Geheimnis. Bereits während des Wahlkampfs 2020 war schnell klar, dass der Politiker von seiner eigenen Partei zu wenig Unterstützung erhalten würde, um erfolgreich zu sein. Aus Angst vor einem Wahlsieg Trumps zog er schließlich seine eigene Kandidatur zurück und unterstützte Biden, in der Hoffnung, die Stimmen der demokratischen Wähler so hinter einem Kandidaten zu einen. Ich bezweifle stark, dass das im Sinne seiner Unterstützer gewesen ist.

Sanders beschreibt in seinem Buch, dass er seinen Einfluss unter der Biden-Regierung nutzen konnte, um einige seiner Anliegen zumindest in abgeschwächter Form durchzusetzen. Viel öfter und ausführlicher beschreibt er allerdings, wie viel ihm verwehrt wurde, weil es in „seiner“ Partei viel zu wenige Menschen gab, die seine Ansätze und Ansichten teilen. Wie Abstimmungen außerdem im Senat trotz einer absoluten Mehrheit der Demokraten zu deren Ungunsten ausfielen, weil es innerhalb der Demokratischen Partei immer wieder einzelne Personen gab, die die von der eigenen Partei eingebrachten Vorschläge nicht mittragen wollten. Was hat man dann eigentlich davon, für die Demokraten im Senat zu sitzen? Hierzu ist anzumerken, dass Bernie Sanders tatsächlich offiziell als Unabängiger im Senat sitzt, sich allerdings der Fraktion der Demokraten (Democratic Caucus of the United States Senate) angeschlossen hat.

Und die große Frage, die sich mir nach alldem stellt: Warum sollte man als Nicht-Republikaner in den USA überhaupt noch zur Wahl gehen? Nehmen wir Donald Trump, der sich bereis in seinem Wahlkampf in seiner Radikalität durchaus von bisherigen republikanischen Kandidaten abhob, einmal aus der Rechnung vollständig heraus und reden nur über den Senat. Realistischerweise hat man die Wahl, für seinen Bundesstaat den republikanischen oder den demokratischen Kandidaten zu wählen. Andere Kandidaten stehen oft nicht zur Wahl (die Hürden für eine Kandidatur sind teilweise extrem hoch) oder gehen ohne das nötige Budget im Wahlkampf unter.

Nun angenommen, ich sei Demokrat. Dann könnte ich bei der Senatswahl die Republikaner wählen, die ganz sicher nicht in meinem Interesse abstimmen. Oder ich könnte die Demokraten wählen, die statistisch gesehen auch nicht in meinem Interesse abstimmen. Selbst bei einer absoluten Mehrheit der Demokraten im Senat findet sich für zahlreiche Anträge der Demokraten im Senat keine absolute Mehrheit. Während ich es prinzipiell positiv sehe, wenn Mandatare nicht verpflichtet sind, immer entsprechend ihrer Parteilinie abzustimmen, ist eine solche Situation für demokratische Wähler nachvollziehbarerweise frustrierend.

Noch schwieriger muss die Wahl für jemanden sein, der sich tatsächlich Veränderungen wünscht, vielleicht sogar ein besseres Gesundheits-, Bildungs- oder Sozialsystem. Für diese Menschen steht eigentlich niemand zur Wahl. Die einzige Person, die sich für diese Ziele eingesetzt hatte und, so schien es, damit Erfolg hätte haben können, hat sich schließlich einer der Parteien angeschlossen, die eigentlich alles möglichst im Status quo belassen wollen.

Ja, Bernie Sanders sitzt nach wie vor im Senat. Aber wo waren die Kandidaten einer potenziellen Bernier-Sanders-Partei in den anderen Bundesstaaten? Wenn die Unterstützung für seine Bewegung tatsächlich so groß war, wie Sanders in seinem Buch behauptet, vielleicht könnten im Senat jetzt statt einem sogar zehn Bernies sitzen, oder mehr. Vielleicht hätten Kandidaten dieser neu gegründeten Partei die teils absurden Hürden für eine Kandidatur überwinden, hätte der Wunsch nach Veränderung tatsächlich die Massen mobilisieren können.

Vielleicht auch nicht. Aber da war nun jemand, der vielleicht tatsächlich in einem starren System etwas hätte verändern, vielleicht tatsächlich die Welt hätte bewegen können. Und er hat nicht. Und immer wieder frage ich mich, was könnte jetzt alles anders sein?

Strickende Frau vor dem Kamin

Was soll man schreiben

Dies und das

In letzter Zeit ist wirklich viel passiert. Trump ist wieder Präsident und Kickl wird vielleicht Kanzler (wenn die ÖVP nicht doch noch einen Hauch von Stolz im Nachtkästchen findet, vielleicht sogar Anstand, was aber unwahrscheinlicher ist). Alleine das bietet eigentlich viel Material, damit will ich mich Sonntag Nachmittag aber eigentlich garnicht so befassen. Vielleicht später mal.

Instagram soll man ja jetzt vielleicht boykottieren, WhatsApp vielleicht auch, vielleicht war aber alles nur ein Missverständnis oder doch ein technischer Fehler. X, also Twitter ist ja schon lange böse und TikTok sowieso. Die Show darüber, ob TikTok nun in den USA tatsächlich verboten bleibt oder doch gerettet wird oder doch unnötig ist, lässt zum Popcorn greifen. Ob der zahlreichen Unternehmen, die angeblich ohne TikTok beinahe sofort in Konkurs gehen würden, fragt man sich dann doch, wie die Welt, auch die digitale, es bis 2016 ohne TikTok ausgehalten hat. Ich bin ja allgemein ein eher zurückhaltender TikTok-User, könnte mir weder vorstellen, über TikTok einzukaufen, noch dort einen Friseurtermin zu buchen oder gar einen Langstreckenflug. Auch Versicherungsberatung via TikTok käme mir befremdlich vor, genauso wie die Essensbestellung. Ich würde also wirklich gerne wissen, um welche Unternehmen es sich handeln könnte, die dermaßen von einer ganz spezifischen Social-Media-Plattform abhängig sind, dass sie bei deren Sperre quasi nicht mehr überlebensfähig sind.

Ein Sturm über Irland war da ja auch noch. Groß angekündigt als einer der stärksten seit Beginn der Aufzeichnungen, war er im Nachhinein wohl zumindest dem Standard nicht der Rede wert. Dort scrollt man in der App sehr sehr lange die Schlagzeilen durch, ohne dass der erwähnt wird. Hundertausende Menschen ohne Strom, kann ja mal passieren. Da ist (offenbar) schon viel interessanter, dass ein Dienst in Deutschland per Fax KI-Antworten (auf welche Fragen?) verschickt, oder dass Kanada glatt ein Teil der EU sein könnte, wenn es nicht jenseits des Atlantiks liegen würde. Man muss Prioritäten setzen.

Vielleicht sollte ich das auch machen. Vielleicht sollte ich mich mit der Welt da draußen gar nicht so viel beschäftigen, die ist mir eh gerade ein bisschen zu aufgeregt. In letzter Zeit habe ich ja tatsächlich irrsinnig viel gelesen (heuer schon sechs Bücher geschafft und damit meiner heurigen Lesechallenge tatsächlich zwei Bücher voraus). Ich sollte wieder mehr kochen, solange die Energiepreise noch niedrig genug sind, dass man es sich leisten kann, den Herd aufzudrehen. Ich habe auch so viele angefangene Handarbeitsprojekte herumliegen (WIPs, wie man sie im Fachjargon nennt). Vielleich schaffe ich es, den Schal für meine Tochter fertig zu stricken, bevor es dank Erderwärmung in Wien für immer zu warm für Wollschals sein wird. Vielleicht, aber nur vielleicht, wird sogar irgendwann mein Pullover fertig.

So gesehen sollte ich es wohl machen wie bei einem Schneesturm – Fenster zu, Kamin an (Heizung kann man sich bald nicht mehr leisten), gutes Buch lesen, Socken stricken.

Warum man Wahlprogramme manchmal doch vollständig lesen sollte

Dies und das

Bald ist ja Nationalratswahl. Zu den bekannteren und präsenteren Parteien hat man sich als halbwegs politisch interessierter Mensch bestimmt bereits ein Bild gemacht, das passiert ja für gewöhnlich (und idealerweise) nicht nur in den intensiven Wahlkampfwochen, sondern über Monate und Jahre hinweg, während man beispielsweise die Arbeit der Parteien im Parlament oder in diversen Landesregierungen mitverfolgt.

Um seine Wissenslücken zu schließen und sich einen Eindruck über die unterschiedlich innovativen Ideen für die Zukunft unseres Landes zu verschaffen, kann man sich, wenn man es genau wissen will, das jeweilige Wahlprogramm der Parteien in der engeren Auswahl zu Gemüte führen. Dieses kann heutzutage durchaus eine Seitenzahl im dreistelligen Bereich aufweisen. Ob dies dazu dient, den wirklich interessierten Wähler bis ins letzte Detail zu informieren, oder die Menschen davon abzuschrecken, das Programm überhaupt zu lesen, sei dahingestellt. So oder so wird man sich wohl, selbst wenn man sich zum Lesen entschieden hat, auf die für einen persönlich wichtigsten Themen beschränken.

Nun stolperte ich neulich, nicht beim Lesen des tatsächlichen Wahlprogramms, sondern dank eines Artikels im Standard, über eine meiner Meinung nach äußerst problematische Passage im Wahlprogramm der FPÖ. Da heißt es, man wolle eine „Meldestelle“ einrichten, bei der Lehrkräfte quasi angezeigt werden könnten, wenn sie in ihrem Unterricht „politisieren“. Was genau das heißen soll, bleibt im Artikel erst einmal der eigenen Phantasie überlassen. Von einer Partei kommend, die den menschengemachten Klimawandel und die medizinische Wirkung von Impfungen als (politische?) Meinung bezeichnet und sich hier oft neutralere Formulierungen wünscht, als wären beides nicht wissenschaftlich fundierte Tatsachen, wird der Phantasie allerdings nicht langweilig.

Was mich viel mehr schockiert hat als diese Forderung, waren die Reaktionen im Kommentarbereich. Nicht etwa die Alarmglocken schrillen hier, im Gegenteil, Wellen der Zustimmung schlagen einem entgegen. Ganz richtig sei das, meinen viele, Parteiwerbung habe im Unterricht nichts verloren. Ein Lehrer habe nicht Stimmung für oder gegen eine bestimmte Partei zu machen. Bin ich paranoid? Geht es wirklich nur darum?

Dass ich mich als Lehrer nicht wertend zu spezifische Parteien äußern darf, das ist mir natürlich bewusst, das finde ich so, wie offenbar auch der größte Teil der Standard-Community, auch ganz richtig. Nur ist das eben jetzt schon so. Auch gibt es durchaus Stellen, an die man sich mit einer Beschwerde wenden kann, wenn sich ein Lehrer an diese Regel nicht hält. Das wäre nämlich der jeweilige Direktor oder in höherer Instanz die verantwortliche Bildungsdirektion. Was also wäre die Aufgabe der eingangs erwähnten Meldestelle? Wem wäre sie unterstellt? Es bleiben viele Fragen offen, das leichte Unbehagen besteht nach wie vor.

Nun ist ja bekanntermaßen der Standard nicht die objektivste Tageszeitung der österreichischen Medienlandschaft. Um sich ein möglichst unvoreingenommenes Bild zu machen, komme ich um das tatsächliche Parteiprogramm also nicht herum. Denn ich möchte es genau wissen. Mit dem Stichwort „Meldestelle“ findet man schnell die gesuchte Passage. Hier heißt es, immer häufiger würden „Lehrer ihre Tätigkeit für die politische Beeinflussung, zumeist in Richtung des linken Mainstreams“ missbrauchen. Im nächsten Satz wird dann die besagte Meldestelle gefordert.

Mein Gefühl, dass es hier nicht darum geht, Parteireklame im Unterricht zu verhindern, hat sich also bestätigt. Worum es wirklich geht, kann man sich nach dem Studium der Absätze davor, in denen es ebenfalls um Schule geht, zusammenreimen. Hier ist die Rede davon, wie furchtbar es doch sei, mit Kindern über Geschlechteridentität zu sprechen, dass es Kinder verunsichere, zu erfahren, das Transsexualität existiert, dass quasi alles was „woke“ ist, aus der Schule verbannt gehöre. Darum geht es also.

Mir kommt das alles seltsam bekannt vor und ich werfe einen verstolenen Blick auf Ungarn. Dort gibt es bereits ein Gesetz, dass es verbietet, in Schulen über LGBT-Themen zu sprechen. Ebenfalls ist es verboten, Transsexuelle oder auch Homosexuelle als normale Menschen darzustellen. Wäre das bei uns unter einer FPÖ-Regierung dann noch erlaubt, oder könnte man mich, wenn ich beispielsweise von meinen Schülern Toleranz gegenüber ihren Mitschülern einfordere, ungeachtet deren sexueller Orientierung, bereits dafür bei der Meldestelle anzeigen?

Der Vergleich mit Ungarn ist kein Zufall, die Nähe der FPÖ zu Orbán kein Geheimnis. Dass der ungarische Staatschef für den selbsternannten Volkskanzler Kickl in vielerlei Hinsicht ein Vorbild ist, braucht man auch nicht zu erfinden, das hat dieser selbst bereits wiederholt kundgetan.

Ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Das mulmige Gefühl begründet sich nicht länger auf einer vagen Ahnung, es entspringt keiner paranoiden Anwandlung, sondern fußt auf dem offiziellen Wahlprogramm der Partei, in Kombination mit von deren Mitgliedern öffentlich getätigten Aussagen.

Meine Gedanken wandern zurück zum Forum. Was mich nach wie vor erschüttert ist, wie viele Menschen sich all diese Gedanken nicht nur nicht machen, sondern nicht einmal auf die Idee kommen, dass man sich hier Gedanken machen könnte. Dass es Menschen gibt, die eine derartige Forderung sehr wohl in dem Wissen unterschreiben würden, was sie beinhaltet, das ist mir bewusst. Aber wie viele Menschen hier blind zustimmen in dem naiven Glauben, etwas völlig anderes sei gemeint, einem Panikmache unterstellen wenn man etwas suggeriert, dessen Wahrheitsgehalt sich ganz einfach überprüfen lässt, das lässt mich doch einigermaßen sprachlos zurück.

In diesem Sinne sage ich auch garnicht mehr und lasse meine Gedanken so im Raum stehen. Nur eines noch, politisierend hin oder her, in meinem Unterricht wird Toleranz und Respekt propagiert, dazu stehe ich, das ist gemäß Lehrplan sogar Teil meines gesetzlichen Bildungsauftrags. Und ich hoffe, dass das auch weiterhin so bleibt.

Warum eine hohe Erfolgsquote nicht zwingend ein Erfolg ist

Dies und das

Die aktuelle Corona-Situation stellt für viele Bevölkerungsgruppen eine besonders große Belastung dar. Darunter fallen zweifelsohne die Schüler, die von heute auf morgen plötzlich ins Distance Learning katapultiert wurden und das gleich für mehrere Monate – im Schuljahr 2019/20.
Wir schreiben das Schuljahr 2020/21 und in diesem war die Situation schon wesentlich besser einschätzbar, dass es wieder kürzere oder längere Phasen des sogenannten „ortsungebundenen Unterrichts“ geben würde, darauf hätte man sich mental bereits im Sommer einstellen können, spätestens jedoch im Herbst, als die Infektionszahlen in bis dahin nicht dagewesene Höhen schnellten.

Dennoch ist es nicht von vornherein falsch, den Jugendlichen in einer solchen Situation bis zu einem gewissen Grad entgegenzukommen, vielleicht sogar mehr durchgehen zu lassen als gewöhnlich. Aber alles hat seine Grenzen.

Gerade während ich diese Zeilen schreibe, sitzen unsere Maturanten zwei Stockwerke höher und schreiben ihre Mathematik-Klausur. Ich habe die Angaben schon gesehen. Einzelne Aufgaben sind vordernd, großteils lässt sich die Matura aber mit ein wenig Grundwissen und einfachen Überlegungen schaffen. Bei einer Aufgabe geht es etwa darum, um wieviel Euro ein bestimmtes Produkt verbilligt ist, wenn der Prozentsatz bekannt ist. Bei einem anderen Beispiel muss man die Wahrscheinlichkeit berechnen, bei mehreren Münzwürfen öfter Kopf als Zahl zu werfen. Alles klassische Aufgaben, wie auch ich sie schon in meiner Schulzeit lösen musste. Der große Unterschied ist, dass auch die Lehrer vorher nicht wussten, welche Fragen heute gestellt werden.

Die Zentralmatura, vor Allem in Mathematik entwickelt sich seit ihrer Einführung vor einigen Jahren ständig weiter – aber was genau wird eigentlich evaluiert, wie wird bewertet und was ändert sich?

Zunächst einmal sollte man sich fragen, worauf der leichte Rückgang des Anteils an erfolgreich absolvierten Prüfungen nach Einführung der Zentralmatura überhaupt zurückzuführen ist. Eine der Grundideen der Zentralmatura ist es immerhin, ein einheitliches Grundniveau jener zu garantieren, die ein positives Maturazeugnis vorweisen können. Unis und Arbeitgeber sollen sich darauf verlassen können, dass zentral festgelegte Grundlagen von jedem Maturanten beherrscht werden. Lehrer sollen nicht mehr mit „freundlichen“ Angaben ganze Klassen „durchwinken“ können.

Würde man nun erwarten, dass sich durch diesen neuen Anspruch das Ergebnis nicht ändert, müsste man ihn von vornherein nicht stellen. Ein Gleichbleiben der Erfolgsquote hätte nur gezeigt, dass die gesetzte Maßnahme nicht nötig gewesen wäre. Dass besagte Quote tatsächlich um einige Prozentpunkte gesunken ist, hätte also eigentlich als Erfolg verbucht und auch so präsentiert werden können. Leider wurde das durch die Medien verhindert, die lautstark verkündeten, dass die Zentralmatura „zu schwer“ sei. Hier tut sich natürlich da Frage auf, was es genau bedeutet, wenn eine Matura „zu schwer“ ist, wer das entscheidet und welche Ansprüche man an eine Matura stellt.

Und hier genau liegt der Hund begraben. Denn scheinbar ist das Zeil einer Matura in Österreich nicht, sich auf einige Grundkompetenzen zu einigen, die jeder Maturant beherrschen sollte, und dann diejenigen mit einem positiven Abschluss zu belohnen, die sich diese Kompetenzen erfolgreich angeeignet haben.
Scheinbar ist das Ziel einer Matura in Österreich, eine Abschlussprüfung zu designen, die von möglichst vielen Jugendlichen bestanden werden kann.

Deshalb wurde auch als Reaktion auf die ersten Ergebnisse im Schuljahr 2014/15 nicht etwa nach Wegen gesucht, den Schülern diese Grundkompetenzen erfolgreicher zu vermitteln, bei denen es ja nicht, wie böse Zungen oft behaupten, um bloßes Auswendiglernen, also „learning to the test“ geht, sondern eben darum, abschätzen zu können, wie viel Euro man sich tatsächlich spart, wenn etwas 20% verbilligt ist, oder zu verstehen, warum man bei einem Besuch im Casino nicht erwarten sollte, mit mehr Geld hinauszukommen, als man mitgebracht hat.

Auch gab es kaum Versuche, herauszufinden, wo die Schwierigkeiten sowohl bei der Vermittlung der Kompetenzen auf Lehrerseite, als auch beim Erwerb auf Schülerseite liegen.

Stattdessen wurde in den letzten Jahren mehrmals der Punkteschlüssel geändert. Es gibt immer mehr Möglichkeiten, doch noch „positiv“ zu sein, als „zu schwierige“ empfunden Aufgabenformate wurden abgeschafft und mittlerweile gibt es auch schon „Streichbeispiele“, von den drei Anwendungsaufgaben zählen nur die beiden besseren.

Als Tüpfelchen auf dem I wird nun auch die Note der achten Klasse in die Maturanote einbezogen, womit es nun endlich wieder jedem Lehrer möglich wird, die Schüler, die er besonders gern hat, mit einem fast sicheren Maturaerfolg zu beglücken. Ich will da nicht verallgemeinern, natürlich gibt es als Ausgleich dafür auch die Lehrer, die wollen, dass die Schüler gefälligst für die Matura lernen und ihnen deshalb im Zweifelsfall aus Prinzip einen Vierer ins Zeugnis schreiben.

Und siehe da – wir haben es endlich geschafft! Mit all diesen Anpassungen ist die Erfolgsquote endlich wieder da, wo wir sie scheinbar haben wollten, nämlich auf dem Stand von vor zehn Jahren. Und das ganz ohne eine Reform des Schulsystems! Das bestätigt uns diese tolle Grafik auf orf.at:

Wenn es um die Entwicklung der Matura geht, ist offensichtlich der Weg das Ziel. Sonst müsste man ja fast meinen, wir hätten im letzten Jahrzehnt in dieser Hinsicht nichts erreicht.

Aus dem Leben einer Nichtraucherin

Dies und das

Nun ist das neue (Nicht)rauchergesetz in Kraft, somit haben wir den Rest Europas endlich eingeholt.


Nachweislich sind wir (Österreich) „das einzige OECD-Land, in dem der Anteil der Raucher zunimmt“ (Die Presse: https://bit.ly/2O41b1w), in einer weltweiten Rangliste der Länder mit dem höchsten Zigarettenkonsum sind wir auf dem stolzen 17 Platz von über 260 Ländern (WIkipedia: https://bit.ly/2r9EbFt) und etwa 10% unserer Jugendlichen im zarten Alter von 15 Jahren rauchen bereits mindestens eine Zigarette täglich (Salzburger Nachrichten: https://bit.ly/2KDbAiT).

Und scheinbar bilden wir uns darauf etwas ein! So ein schönes, raucherfreundliches Land, Land der uneingeschränkten Freiheit – zumindest bis September 2019.

So eine Frechheit, dass man nun in Lokalen nicht mehr rauchen darf. Sollen die Nichtraucher doch in „Nichtraucherlokale“ gehen, gib ja angeblich genug. Gemischte Freundesgruppen sollen sich dann halt vor dem Lokal trennen oder die Nichtraucher sollen das doch bitte einen Abend mal aushalten. Die Angestellten sollen sich nicht so anstellen. Sie haben es sich schließlich ausgesucht, dort zu arbeiten und könnten bestimmt ohne Schwierigkeiten jederzeit einen Job in der Gastronomie finden in einem der vielen Nichtraucherlokale. Die blöden Nichtraucher wollen die armen Raucher in ihrer persönlichen Freiheit einschränken. Hört man dauernd.

Ich möchte jetzt von drei Erlebnissen erzählen, die gar nicht so sehr mit dem Rauchverbot zu tun haben, sondern eher mit den Schwierigkeiten, die man tatsächlich als Nichtraucher hat, die eigene Freiheit gegenüber der so oft gepriesenen Freiheit der Raucher durchzusetzen.

Fortgehen mit Freunden

Es gibt diese Phase, in der man selber schon weiß, dass man schwanger ist, es aber noch nicht jedem erzählen möchte, die „kritischen zwölf Wochen“. In dieser Zeit begab es sich ab und zu, dass Freunde mich einluden, etwas mit ihnen zu unternehmen. Die Frage „Ist das Lokal rauchfrei?“ ergab meistens nur ein kurzes, verdutztes Schweigen und ein ahnungsloses Schulterzucken. Da hatte einfach niemand drauf geschaut.

Also musste ich dann jedes Mal selbst recherchieren, meistens war es nicht rauchfrei, ich bin dann manchmal einfach nicht mitgegangen oder die ganze Gruppe musste nur wegen mir in ein anderes Lokal gehen anstatt in das, dass sie eigentlich besuchen wollten. Und das ohne, dass ich erklären konnte, warum mir das auf einmal so wichtig ist.

Andererseits, warum muss ich mich überhaupt dafür rechtfertigen, dass ich mich nicht gerne in ein verrauchtes Lokal setze? Hat mir trotzdem Leid getan, vor allem, weil diese nicht rauchfreien Lokale ja durchaus gemütlich sind, gutes Essen haben, ich eigentlich gerne dort sein würde, nur eben ohne Rauch.

Die Lokalsuche

Immer noch schwanger war ich einmal auf der Suchen nach einem Lokal, um eine Freundin zu treffen. Also Handy gezückt und auf Google Maps die Umgebung abgesucht. Ich habe auch schnell ein Lokal gefunden, mit guten Bewertungen, angeblich gutem Essen, netter Bedienung.

Als wir das Lokal betraten, blieb mir im wahrsten Sinne des Wortes die Luft weg. Im ganzen Raum, das Lokal war nicht sehr groß, stand der Rauch. Und zwar richtig extrem. Ich ließ meinen Blick wandern und fand an einer Tür ein Schild mit dem Nichtraucher-Symbol. Dir Tür führte zu einem dunklen, unmöblierten Zimmer, das scheinbar als Abstellraum genutzt wurde.

Auf die ehrlich gemeinte Frage, wo denn der Nichtraucherbereich sei, schaute der Kellner erst mal sehr unsicher und meinte dann, wir könnten draußen sitzen. Bei gerade mal zehn Grad nicht wirklich verlockend.

Dieses Lokal fiel also weg. Aber wie sollte ich sicher sein, dass mir das nicht im nächsten Lokal wieder passierte? Es ist nicht so einfach, nur anhand der Beschreibung im Internet festzustellen, wie es in einem Lokal mit der Raucherpolitik ausschaut.

An alle, die meinen, es gäbe ja genügend Nichtraucherlokale, es ist nicht immer einfach, diese zu identifizieren und die Auswahl an Lokalen wird auf einmal bedeutend kleiner.

Wir suchten dann ein anderes Lokal auf, das auf den ersten Blick auch einen guten Eindruck machte. Es gab keine offensichtliche Abtrennung, also setzten wir uns an einen beliebigen Tisch. Kaum war unser Essen auf dem Tisch, begannen die Leute am Nebentisch zu rauchen. Ich habe überall nach einem Hinweis gesucht, dass ich im Raucherbereich sitze, aber keinen gefunden.

Das Traurige ist, ich habe mich nicht einmal getraut, etwas zu sagen, weil ich in ähnlichen Situationen schon oft böse angeschaut bis beleidigt worden bin, wenn ich auf das auch damals schon bestehende Rauchverbot bei fehlender Abtrennung aufmerksam gemacht habe. So viel zu den Nichtraucherlokalen.

Die Straßenbahnstation

Neulich, schon mit Kinderwagen, bei der Straßenbahnstation. Es war sehr kalt und hat leicht geregnet. Ich hätte mich ohne größere Schwierigkeiten zu den anderen Wartenden in das winzige Wartehäuschen drängen können.

Aber fünf der sechs Menschen in diesem Wartehäuschen haben gerade eine Zigarette geraucht. Mit ist bewusst, dass ein Rauchverbot bei offenen Straßenbahnstationen nicht zur Debatte steht. Nur musste ich die wertvolle „Freiheit“ der Raucher damit bezahlen, dass ich nun entscheiden musste, ob ich im Regen warten, oder meinem Baby dem Rauch von gleich fünf Zigaretten auf einmal aussetzen möchte. Die Lunge der Kleinen ist nicht größer als meine Faust, diese Menge an Schadstoffen könnte sie also nicht so leicht wegstecken wie ein Erwachsener.

Was ich damit eigentlich sagen will…

Für eine Bevölkerungsgruppe, die sich pausenlos angegriffen fühlt, ist die Toleranz und Rücksichtnahme gegenüber anderen in eben dieser Bevölkerungsgruppe erstaunlich gering. Sogenannte Nichtraucherlokale mag es gegeben haben, sie waren aber nicht leicht zu finden. Auf der Straße macht man sich keine Gedanken darüber, wer aller mitrauchen muss – Männer, Frauen, Kinder, alte und Kranke Menschen, sollen wohl einfach zu Hause bleiben, wenn sie das stört?

Wenn von Seiten der Raucher von vornherein ein bisschen mehr Rücksichtnahme vorhanden wäre, vielleicht bräuchte es dann nicht so viele Gesetze.

Whatever, c ya

Wahl die Dritte (oder so)

Dies und das

Nun ist die Wahl also vorbei. Diesmal wirklich. Zumindest laut H.C. Strache ist eine erneute Anfechtung “kein Thema” (http://orf.at/stories/2369563/2369638/). Na schön, hätten wir das also auch geschafft.
Interessanter sind die Reaktionen auf das Ergebnis. Auch mich hat es (allerdings bereits beim ersten Versuch) zunächst überrascht, dass es so viele Leute gibt, die nicht denselben Kandidaten gewählt haben wie ich. Wo kommt das denn auf einmal her, dachte ich, fasst alle, die ich kenne, wählen doch den… naja.
Aber bald ging mir auf – ist doch klar. Natürlich bin ich vorrangig mit Leuten befreundet, die sich in einem ähnlichen Umfeld bewegen, ähnliche Meinungen haben. Da ist es ja auch kein Wunder, dass die Mehrheit meiner Freunde den Herrn Soundso wählt. Mein Freundeskreis ist aber nicht repräsentativ für die gesamte österreichische Bevölkerung.
Dass Van der Bellen die Stichwahlwiederholung gewonnen hat, hat also nichts mit Wahlbetrug zu tun, auch wenn man selbst vielleicht nur Hoferwähler kennt. Genauso verhält es sich übrigens mit dem Stimmensieg Hofers in der ersten Wahlrunde.
Und dass im Internet mittlerweile nur noch jeder den anderen beschimpft, nur weil der vielleicht doch den anderen gewählt hat, wird wohl nicht dazu beitragen, dass unser Freundeskreis bis zur nächsten Wahl repräsentativer wird.

Song Contest? Mir Wurst!

Dies und das

Österreich hat also den Song Contest gewonnen. Als ich das hörte, war ich erst erstaunt, dann ein wenig beglückt. Im Endeffekt relativ indifferent. Aus Langeweile las ich einige Kommentare im Internet – immer ein Fehler, aber doch ab und zu recht amüsant.

Nun gut, aus dem Drang heraus, auch einmal zu einem aktuellen Thema meinen Senf zu geben, hier mein Senf:

Ist der Sieg von Conchita Wurst ein Statement?
Ja, ich denke doch. Er hat gezeigt, dass man einen derartigen Wettbewerb gewinnen kann, auch wenn man sich nicht an gängige Konventionen hält. Noch vor einigen Jahrzehnten – vielleicht sogar Jahren – wäre das kaum möglich gewesen und ich halte das für eine sehr positive Entwicklung.

War der Antritt Conchitas eine Anti-Putin-Aktion?
Wohl kaum. Um ehrlich zu sein, bin ich schon allein über die Idee sehr verwundert. Erstens müsste man dem Song Contest eine wesentlich größere Bedeutung zumessen, als er jemals haben wird, um dieses Argument überhaupt bringen zu können. Als zweites muss man sich vor Augen führen, dass Österreich 2012 mit dem Lied „Woki mit deim Popo“ zum Song Contest antreten wollte. So viel Überlegung kann also hinter der Auswahl der Kandidaten schon von vorn herein nicht stecken.
Zu guter letzt kann man sich natürlich noch fragen,welchen Grund Österreich hätte, Russland provozieren zu wollen bzw warum ganz Europa für Österreich hätte stimmen sollen, um Russland eins auszuwischen. Da wäre doch zB die Ukraine naheliegender gewesen. Aber bitte.

Wie wird Österreichs Sieg die österreichische Musiklandschaft beeinflussen?
Wahrscheinlich gar nicht. Andere Interpreten werden nicht plötzlich besser, nur weil eine Österreicherin den Song Contest gewonnen hat. Sie werden auch nicht schlechter. Und es werden sich auch weder plötzlich alle Männer Frauenkleider anziehen, noch alle Frauen sich Bärte wachsen lassen – wer das wollte, konnte es auch bisher schon tun. Wir werden allerdings in den nächsten Tagen bestimmt mehr österreichische Musik im Radio zu hören bekommen – weil der Siegersong etwa stündlich gespielt wird.

Wird in einer Woche noch irgendjemand davon reden?
Schwer zu sagen, ich habe meinen Blogeintrag zur Sicherheit schon heute verfasst, weil ich mich nicht darauf verlassen würde.

PS: Ich fand es nicht in Ordnung, die Teilnehmerinnen aus Russland schon beim Halbfinale auszubuhen, das muss für einen Künstler schrecklich sein und womit haben die das verdient? Aber gut, wir reden hier offensichtlich von Menschen, die denken, der Song Contest wäre von internationaler Wichtigkeit, also lassen wir das.

So, das war mein Senf zu alldem und morgen werde zumindest ich schon nicht mehr davon sprechen.